Sonderausstellung in Karlsruhe
Noch bis 11. September!
Stippvisite in der Jugendstilstadt Karlsruhe. Ja, richtig gelesen! Badens Hauptstadt gilt als eine der Wiegen des Jugendstils in Deutschland – neben München, Dresden und Berlin. Bedeutende Architekten wirkten hier, bis heute sind ganze Straßenzüge und Bauensembles erhalten. Kein Wunder, dass sich die Ausstellungsmacher im Badischen Landesmuseum dieser Epoche besonders verbunden fühlen.

Frauen im Mittelpunkt
Zarte Fee, liebliche Flora, verführerische Femme fatale! Frauen spielen eine zentrale Rolle im Jugendstil, der zwischen 1890 und 1910 ganz Europa erobert. Frauen stehen im Mittelpunkt vieler Abbildungen, und sie werden zu Akteurinnen einer Gesellschaft, die in die Moderne aufbricht.

Die sehenswerte Ausstellung im Karlsruher Schloss konzentriert sich auf die Rolle der Frau in Kunst und Gesellschaft und zeichnet das Porträt einer Zeit, die mich seit meiner Jugend fasziniert. Zu sehen sind rund 200 Objekte, darunter viele internationale Leihgaben wie der Zyklus „Les Fleurs“ von Alfons Mucha.

Viele „Stars“ der Bewegung sind präsent – wie Aubrey Beardsley, Georg Klimt oder René Lalique.

Bewegte Zeiten

Im Jugendstil spiegeln sich die Umbrüche der Zeit. Eine neue Formensprache findet in fließenden Linien und floralen Ornamenten ihren Ausdruck.
Ikonisch für die neue Kunst ist Alfons Muchas Büste La Nature, die er für die Pariser Weltausstellung 1900 schuf. Sie begrüßt uns gleich im ersten Raum der Schau und zieht uns mit ihrer magischen Aura augenblicklich in den Bann! Ein Schmuckstück der Ausstellung! Kein Wunder, dass La Nature auch das Plakat ziert.
Foto © Badisches Landesmuseum, Bruno Kelzer
Jugend-Bewegung
Die Münchner Wochenzeitschrift „Jugend“ war Namensgeberin, Wegbereiterin und Zentralorgan der neuen Strömung, die Kunst und Kunstgewerbe, Architektur, Mode und Design der frühen Moderne in Deutschland prägte.

Eine ganze Wand mit Dutzenden von Titeln berichtet von der Vielfalt, die das Kunst- und Literaturmagazin ab seiner Erstausgabe 1896 zu bieten hatte.

Moderne Frauen
Kunst-, Konsum- und Lebenswelten der modernen Frau um 1900 bilden den roten Faden der Schau. Damals wagen Frauen den Aufbruch und reklamieren für sich gesellschaftliche Teilhabe, politische Mitsprache und Zugang zu Bildung.

Erste Studentinnen schreiben sich an den Universitäten von Freiburg und Heidelberg ein. Sie organisieren sich in Vereinen und schwingen sich auf’s Fahrrad. Hausfrau und Mutter – diese Rolle genügt ihnen nicht mehr.

Sie trauen sich ‚was: Trotz schwieriger Voraussetzungen wagen sich Frauen als freischaffende Künstlerinnen mutig auf den Kunstmarkt. Sie befreien sich von alten Korsetts, entwerfen Reformkleider, die mehr Bewegungsfreiheit ermöglichen, und sie werden sportlich aktiv.

Eine Bühne für die Künstlerinnen
Die Karlsruher Ausstellung erinnert an die großen Künstlerinnen dieser Zeit, von denen leider nur noch die Superstars im kollektiven Gedächtnis ihren Erinnerungsplatz haben – wie die legendäre Schauspielerin Sarah Bernhardt.

Oder die Tänzerin Loïe Fuller, die mit meterlangen Seidenstoffen über die Bühnen der Welt wirbelte und mit ihrem Serpentinentanz selbst zum zentralen Motiv des Jugendstils wurde.

Wir bestaunen Entwürfe der Karlsruher Modeunternehmerin Emmy Schoch, die sich der korsettfreien Reformkleidung verschrieben hatte. Mit ihren fantasievollen Kreationen und schlichten Typenkleidern feierte sie große Erfolge.

Änne Koken war eine der ersten Werbegrafikerinnen in Deutschland. Eine Pionierin auf diesem Feld. Sie entwickelte u.a. das Corporate Design für Firmen wie Bahlsen oder Appel Feinkost.

Jenny Fikentscher war eine tolle Malerin und Lithografin, die an Karlsruher Malerinnenschule studiert hatte. Besonders mochte sie Blumen und Blüten, die sie in freier Natur darstellte. Karlsruhe zeigt ihre „Malven“ von 1901. Wunderschön!


Was für ein Blick! Wir bleiben hängen vor dem „Mädchen mit blaugrünen Augen“, eine der Göttinnen des Jugendstils. Dieses Bild ist eigens für die Ausstellung aus den USA angereist. Julie Wolfthorn brachte die junge Frau auf die Leinwand. Eine Künstlerin, die erfolgreich als Porträtmalerin wirkte, von ihrer Kunst sogar leben konnte – damals eine große Ausnahme – und sich als Mitglied der Berliner Secession für die die Zulassung von Frauen an den Akademien der Künste einsetzte.
Foto © Badisches Landesmuseum, ARTIS-Uli Deck
Fazit
Wer Jugendstil mag und an Karlsruhe vorbei kommt, sollte die „Göttinnen des Jugendstils“ unbedingt besuchen. Eigentlich war die Ausstellung nur bis 19. Juni geplant, wurde aber wegen des großen Erfolgs bis 11. September verlängert.
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