Marc Chagall in Frankfurt

Titelbild © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2022, Foto: Norbert Miguletz

SCHIRN KUNSTHALLE

Fantasievoller Träumer, Maler-Poet, Publikumsliebling: Mit Marc Chagall (1887 – 1985) verbinde ich intensive Farben, verspielte Heiterkeit und eine kindlich-freundliche Betrachtung der Welt. Luftmenschen, Engel, fliegende Kühe, Geiger im Himmel, liebende Paare schweben durch seine Werke.

Marc Chagall gilt als einer der eigenwilligsten und bedeutendsten Künstler der Moderne. Die SCHIRN KUNSTHALLE in Frankfurt widmet dem großen Maler, Illustrator, Grafiker, Kirchenfenstergestalter und Kostümbildner nach 15 Jahren eine üppig angelegte Ausstellung in Deutschland. Mit einem ganz besonderen Fokus!

Chagall. Welt in Aufruhr

… zeigt eine wenig bekannte Seite von Chagalls Schaf­fen: die Werke der 1930er- und 1940er-Jahre, in denen sich die farben­frohe Palette des Künstlers verdun­kelte. Der russisch-französische Künstler wurde in diesen Jahren als Jude diskriminiert und existenziell bedroht. Auch die französische Staatsbürgerschaft, die er und seine Frau Bella Ende der 1930er Jahre erhielten, bot keinen Schutz. Die Chagalls emigrierten 1941 in die USA, um der Verfolgung durch die Nazis zu entgehen. In letzter Sekunde!

Nationalsozialismus, Stalinismus, zwei Weltkriege, Antisemitismus, Exil, Holocaust – In Marc Chagalls Leben und Werk spiegelt sich die ganze Tragödie des 20sten Jahrhunderts.

Das erste Bild, das wir in der Ausstellung zu sehen bekommen, ist der melancholische Rabbiner mit der Thora-Rolle im Arm. Eine Leihgabe aus Tel Aviv. 1933 ist das Gemälde entstanden – eine Reaktion des Künstlers auf die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland. Chagall gab dem Bild den bezeichnenden Titel „Einsamkeit“. Nur der kleine Engel rechts oben leistet dem jüdischen Mann Gesellschaft und bringt ihm etwas Trost.

Von Witebsk nach Paris

Immer wieder beschäftigte sich Chagall intensiv mit seiner russischen Herkunft und seinen jüdischen Wurzeln.

„Der Traum“ © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: 2022 courtesy of The David and Alfred Smart Museum of Art, The University of Chicago

Obwohl der Künstler mit 33 Jahren Witebsk im heutigen Belarus für immer verließ, stellte er zeitlebens Motive dar, die in seiner Heimatstadt wurzelten.

Kleine Holzhäuser, schiefe Zäune oder die orthodoxe Kirche mit der großen Kuppel gingen in Chagalls Erinnerungsschatz ein, auf den der Maler ein Künstlerleben lang zurückgriff.

Der gekreuzigte Jesus – hier ganz rechts – kehrt in vielen Bildern der Ausstellung wieder. Chagall zeigt ihn als Juden im Tallit, dem Gebetsmantel. Die gekreuzigte Christusfigur als Symbol für das Leiden des jüdischen Volkes in der Schoa.

60 bedeutende Werke sind in der SCHIRN KUNSTHALLE zu sehen. Bilder, die Krieg, Vertreibung und Gewalt thematisieren.

Leihgaben aus der ganzen Welt zeigen, welch tiefe Spuren die Wirren des 20sten Jahrhunderts in Chagalls Werk gegraben haben.

Mehr als vier Jahre dauerte es, bis Kuratorin Ilka Voermann die Werke für diese besondere Ausstellung „beisammen“ hatte.

Engelssturz

„Der Engel­sturz“ nimmt eine Sonder­stel­lung in Marc Chagalls Werk ein. Immer wieder arbeitete er an diesem Bild, über 24 Jahre lang – in Paris, im ameri­ka­ni­schen Exil und wieder zurück in Europa. Der rote Engel ließ ihn nicht los. 

© Schirn Kunsthalle Frankfurt 2022, Foto: Norbert Miguletz

Eine Metapher: Der strahlendste Engel im Himmel wendet sich von Gott ab, stürzt auf die Erde und bringt dort fortan Übel und Vernichtung über die Menschheit. Chagall inszenierte die biblische Erzählung – mit Luzifer als zentraler Figur in flammendem Rot – vor dunklem Hintergrund.

Der Engelssturz“, Kunstmuseum Basel, Depositum aus Privatsammlung © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Martin P. Bühler

Nach 1945 bezeichnete Chagall das Gemälde als „das erste Bild der Serie von Vorah­nun­gen“.

Trauer um Bella

Chagalls Ehefrau Bella starb 1944, ganz plötzlich, an den Folgen einer Virusinfektion. Sie wurde nur 48 Jahre alt. Mehrere Monate war der Maler nicht imstande zu arbeiten. „Um sie herum“ und „Die Lichter der Hochzeit“ gehören zu den ersten Bildern, die im Frühjahr 1945 entstanden. Eine Hommage an die geliebte Frau in Blau!

© Schirn Kunsthalle Frankfurt 2022, Foto: Norbert Miguletz

Zwei Bilder, die aus einem entstanden sind.

„Um sie herum“ © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: bpk / CNAC-MNAM / Philippe Migeat | „Die Lichter der Hochzeit“ © Kunsthaus Zürich, Geschenk Nachlass Ernst Göhner, 1973 / VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: 2020, ProLitteris, Zurich

ARTE-Dokumentation zur Ausstellung

Anlässlich der Ausstellung in der SCHIRN hat der europäische Kulturkanal ARTE eine sehenswerte Dokumentation über Marc Chagall produziert. Eine wunderbare Vorbereitung auf die Schau!

Der Film mit dem Titel „Marc Chagall – Glaube. Liebe. Krieg“ von Anna Maria Tappeiner feierte am Abend der Ausstellungseröffnung seine exklusive Premiere in Frankfurt.

Die Doku zeigt Marc Chagalls Bilder als Spiegel der Zeit und erläutert, wie Werk, Künstler-Biografie und Geschichte zusammen hängen. Chagalls Enkelin Meret Meyer, die mit ihren Geschwistern das Erbe hütet, ist eine der Interviewpartnerinnen.

Die Doku ist noch bis zum 10. Februar 2023 in der ARTE-Mediathek zu sehen.

DIE SCHIRN

Mitten in der Altstadt von Frankfurt, ganz in der Nähe des Römers, steht mit der SCHIRN KUNSTHALLE eines der bedeutendsten Ausstellungshäuser Europas. Der Name „Schirn“ ist eine Referenz an die mittelalterliche Funktion des Ortes. Hier wurden einst Waren angeboten, auf offenen Verkaufsständen.

Mitte der 1980er Jahre wurde die heutige SCHIRN KUNSTHALLE eröffnet. Mehr als 200 hochkarätige Ausstellungen hat das Team seither auf die Beine gestellt. Eine eigene Sammlung besitzt das Haus nicht, jedoch exzellente Kontakte zu den Top-Kunstmuseen dieser Welt: Tate Gallery London, Centre Pompidou Paris, Museum of Modern Art New York – um nur einige zu nennen.

Wo sich heute die SCHIRN befindet, war früher das Zentrum der Altstadt – bis am 22. März 1944 die Bomben fielen und Frankfurts Herz zerstörten.

Restaurierte Altstadt

Noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts lagen in den engen Gassen zwischen der heutigen Schirn und dem Main die Verkaufsstände der Frankfurter Metzgerzunft

Die neue Frankfurter Altstadt, das Dom-Römer-Viertel, wurde zwischen 2012 bis 2018 rekonstruiert. Nach dem Besuch der SCHIRN ist das neue Stadtquartier definitiv einen Rundgang wert.

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